Eine Gemeinde im Weltkrieg

„Der 1. September des Jahres 1939, der Tag, an dem das Reich dem polnischen Terror mit seinen zahllosen Uebergriffen [sic!] durch Waffengewalt ein Ziel setzte, rief Front und Heimat in gleicher Weise zu Kampf und Einsatz auf. […] Aus der Erkenntnis, daß die dicht bevölkerten Industriezentren mit ihren lebenswichtigen Werken in besonderer Weise Gefahrengebiete darstellen, waren schon lange vor Ausbruch des Konfliktes wie an anderen Orten so auch in unserer Gemeinde Flakbatterien in Stellung gebracht – so u. A. in unmittelbarer Nähe der Christuskirche – und öffentliche Luftschutzkeller hauptsächlich an verkehrsreichen Straßen angelegt worden.“

Kriegschronik der ev. Kirchengemeinde Bismarck in Westfalen von Pfarrer Hans Maack, 1939 – 1943
Hans Maack, Pfarrer und Kriegschronist

Die von Pfarrer Maack geführte Kriegschronik der Bismarcker evangelischen Kirchengemeinde ist nur bis zum Jahr 1943 fortgesetzt worden, so dass die Zerstörung der Gemeindekirche, das Kriegsende und die Befreiung nicht mehr dokumentiert sind. Für die ersten zwei Drittel des Krieges gibt sie jedoch einen lebhaften, wenn auch nicht unbedingt systematischen Einblick in den Alltag der Gemeinde während des Krieges. Luftschutzmaßnahmen, Zerstörungen und Einschränkungen von Gemeindeaktivitäten kommen hier zur Sprache, vermischt mit Berichten von der Front und Listen von Gefallenen und Versehrten.

Pfarrer an der Front

Bereits zu Kriegsbeginn 1939 wurde der erste Bismarcker Pfarrer, Hans Saß, zum Kampf an der Westfront eingezogen. Er durchlief eine militärische Karriere, die ihn vom Unteroffizier zum Wachtmeister und schließlich 1940 zum Leutnant beförderte sowie ein Eisernes Kreuz 2. Klasse einbrachte. Über seine Fronterlebnisse berichtete er in der Gelsenkirchener Allgemeinen Zeitung im August 1940. Im Juli 1940 mußte auch Pfarrer Ernst Künkler antreten. Für die Gemeinde bedeutete dies eine Einschränkung der Gottesdienste und seelsorgerischen Angebote, da die Vertretung durch Vikare nur mangelhaft funktionierte. Auch andere Bereiche des Gemeindelebens kamen wegen Einzug oder gar Kriegstod wichtiger Gruppenführer (Chorleiter, etc.) zum Erliegen.

Links: Pfarrer Hans Saß, rechts: Pfarrer Ernst Künkler

„In der Schule wurde auf dem Schulhof stets mit dem Hitlergruß angetreten. Auch Gasmaskenübungen waren an der Tagesordnung. Später war die Schule nicht mehr regelmäßig und sogar ein Jahr gar nicht mehr geöffnet.“

Elisabeth Kahlhof (*1934), Zeitzeugin

„Als ich einmal im Garten war, um … [Gemüse] zu holen, kamen Tiefflieger und schossen auf mich. Ich schmiss mich auf den Boden und wurde nicht getroffen. Die Geschosse und Splitter haben noch meine eigenen Kinder später im Garten gefunden.“

Christel May (*1931), Zeitzeugin

„Als der Angriff vorbei war, war das alte Bismarck platt!“

Anna-Margaretha Klein (1928 – 2019), Zeitzeugin über den Bombenangriff vom 6. November 1944