Die letzten Kriegstage in GE-Bismarck

Ruhige und besinnliche Ostern konnten die Einwohner von Bismarck im Jahre 1945 vergessen: Die amerikanische Artillerie und die letzten standhaltenden deutschen Verteidigungstruppen schenkten sich nichts. Vom 3. bis einschließlich 7. April dröhnte jede Nacht Artilleriebeschuss über dem Stadtteil.

„Am 1. April (Ostersonntag) sprengte man die Brücke, die über die Bahn nach Zeche Graf Bismarck führt, und das Befehlsstellwerk am Bahnhof. […] 3. April: Um 18 Uhr ist hier ein furchtbares Artillerieduell mit Ferngeschützen an dem Übergang über den Kanal. Unsere Soldaten stehen auf dem Ostfriedhof; sie schießen schwach, die Amerikaner aber stark.“

Unbekannter Bismarcker Zeitzeuge, in: Chronik der Stadt Gelsenkirchen für das Jahr 1945, bearbeitet von Dr. Wilhelm Niemöller, Seite 67

„Vor dem Kanal standen die Amerikaner und schossen rüber. Damals bekamen wir einen Artillerieschuss direkt ins Dach des Hauses [Laarstraße 11]. An dem Tag bin ich mit meinem Vater auf dem Dach gewesen um es neu einzudecken.“

Christel May (*1931), Zeitzeugin

10 Menschen starben in Bismarck zwischen 4. und 10. April 1945, in ganz Gelsenkirchen waren es 137, davon waren nur 3 Soldaten. Tagsüber wurde erstaunlicherweise „reichlich Brot und Fleisch“ ausgegeben, um die Bevölkerung bei Laune zu halten. Auch Aufrufe der Kreisleitung mit Durchhalteparolen wurden verlautbart. Deren Behauptungen, eine erfolgreiche Verteidigung sei unter Aufrechterhaltung der Diszipiln möglich, glaubte aber niemand mehr. Es wurde immer deutlicher, dass die Wehrmacht der geballten Militärpräsenz der Amerikaner, welche in Flugblättern zum Aufgeben und zur Übergabe der Stadt aufriefen, nicht mehr viel entgegenzusetzen hatte.

„Heute [7. April] mittag zog der sogenannte Volkssturm ab. Es war ein trauriges Bild. Man kann sagen: Vier Mann ein Gewehr; das soll es schaffen! […] Hier war keine Ordnung. Die meisten Männer waren Fußkranke in allen möglichen Kleidungen.“

Unbekannter Bismarcker Zeitzeuge, in: Chronik der Stadt Gelsenkirchen für das Jahr 1945, bearbeitet von Dr. Wilhelm Niemöller, Seite 69

Entsprechend Hitlers sogenanntem „Nerobefehl“ vom 19. März 1945 verfolgten die NS-Truppen vor Kriegsende eine Politik der verbrannten Erde: Industireanlagen und andere Ressourcen sollten zerstört und unbrauchbar gemacht werden bevor sie dem Feind in die Hände fallen konnten. Diese Weisung wurde aber vielfach unterlaufen. So widersetzte sich der Kommandant des Fallschirmjägerregiments in Gelsenkirchen, Oberst Erich Vorwerck dem Befehl, die Zechen Unser Fritz (Wanne-Eickel) und Wilhelmine Victoria (Heßler) zu zerstören und legte sich sogar mit Reichsverteidigungskommissar und Gauleiter Dr. Alfred Meyer an, der auf der Befehlsausführung bestand. Am 7. April zogen sich auch die Fallschirmjäger, die als Elitetruppe galten, zurück und marschierten (wohl auch, um weitere Zerstörungen durch US-Angriffe auf sie zu vermeiden) unter Vorwercks Kommando nach Bochum-Gerthe ab- zwei Zurückgebliebene, die sich versteckt hatten, gerieten am 9. April in amerikanische Gefangenschaft.