Der Kirchgänger im Jahr 1901

Kleider machen Leute

Um die Jahrhundertwende ist der Kirchgänger, der die niegel-nagel-neue Christuskirche zum Gottesdienst aufsucht im „Sonntagsstaat“ fein herausgeputzt: Der Herr von Welt trägt Gehrock und Zylinder. In der Westentasche steckt die Taschenuhr, die vorher aufgezogen und richtig gestellt werden muss und mit einer Uhrkette, welche auch mit weiteren Accessoires geschmückt werden kann, an einem Knopfloch befestigt ist. Zum weißen Oberhemd gehört der angeknöpfte, frisch gestärkte steife Stehkragen mit den umgeklappten Ecken, der sogenannte „Vatermörder“. Den Hals ziert das Plastron, ein kunstvoll gebundener Krawattenschal.

Was bringt er mit?

Der feine Herr führt unterwegs stets einen Spazier- oder Flanierstock mit sich, auch wenn beide Beine gesund und voll funktionsfähig sind: Denn diese Stöcke, die oft sowieso zu dünn und fragil sind, um wirklich als Stütze zu dienen, sind Statussymbol und dekoratives Accessoire, mit einem verzierten oder figürlich gestalteten Knauf. Deshalb haben auch die Buchablagen in den Kirchenbänken Einschnitte, in die man seinen Stock oder auch einen Regenschirm einhängen kann.

Auch das Kirchengesangbuch, in dieser Zeit noch oft mit Bildschmuck versehen und in Leder gebunden, bringt jeder Kirchgänger selbst mit.

Wer hält die Predigt?

Im Jahre 1901 kann man in der Christuskirche entweder Pfarrer Bernhard Bruns, den ersten Bismarcker Gemeindepfarrer seit der Gemeindegründung 1874, oder den neuen Pfarrer Otto Schumacher, der 1898 seine Stelle angetreten hat, predigen hören. Als weiterer neuer Pfarrer kommt 1901 Julius Peter hinzu.

Was kommt in den Klingelbeutel?

Die Kollekte wird in Mark (später unkorrekt auch als „Goldmark“ oder „Reichsmark“ bezeichnet) gezahlt, der seit 1871 geltenden Währung des Kaiserreichs.